Handliches Handbuch
Renate Pieper: Geschichte Lateinamerikas seit dem 15. Jahrhundert
Mandelbaum Verlag, Wien, 2023, 416 Seiten, Euro 30,00
Das Buch füllt eine Lücke. Die „Geschichte Lateinamerikas. Von den frühesten Kulturen bis zur Gegenwart“ von Stefan Rinke (2014) ist preisgünstig, hat sich auf gerade einmal 128 Seiten aber sehr viel vorgenommen. Das Lateinamerika Handbuch von Maihold/Sangmeister/Werz (2019) spannt einen weiten – eher politologischen – Bogen und hat mit 98 Euro einen Preis, der für Viele prohibitiv sein dürfte. Und Bernecker (u.a.): „Handbuch der Geschichte Lateinamerikas“ (1992-1996 in drei Bänden) wird heute noch (gebraucht) für 403,03 Euro angeboten.
Renate Pieper und der Mandelbaum Verlag haben ein immer noch handliches Buch zu einem vernünftigen Preis vorgelegt. Iberoamerikanische Imperien (sie sagt nicht Kolonien), die Staatenbildung im Zeichen der Unabhängigkeit, Lateinamerika im Zeitalter des Imperialismus und Lateinamerika in der Epoche der Globalisierung sind die großen Blöcke, in die Pieper die Geschichte einteilt. Jeder dieser Blöcke wird mit einer Zeittafel eingeleitet und ist jeweils in politische Geschichte, Wirtschaftsgeschichte (mit empirischem Zahlenmaterial – so weit vorhanden) sowie die gesellschaftliche und kulturelle Entwicklung gegliedert. Bei 500 Jahren auf 416 Seiten bleiben naturgemäß Lücken. Aber es ist ein gelungenes Überblickswerk mit aktualisierten, teilweise überraschenden Perspektiven auf die lateinamerikanische Geschichte. Von einer Mandelbaum-Publikation hätte man sich allerdings mancherorts mehr kritisch-analytischen Tiefgang erwartet. So ist die Darstellung des Sturzes von Präsident Evo Morales 2019 in Bolivien (in einem Satz, S. 346) fehlerhaft und irreführend. Ein Glossar und Personenverzeichnis wären hilfreich, hätten aber wohl den Umfang des Buches gesprengt. Ein Kapitel zur altamerikanischen – wie Pieper sagt – Geschichte hätte es erlaubt, die „Verbindung von altamerikanischen und europäischen Elementen zu etwas Neuem (S.21)“, die nach der Conquista entstanden ist, besser zu verstehen.
Robert Lessmann