lateinamerika anders Nr. 1 * Feb. 2016

editorial

Die Auswahl des Schwerpunktthemas fiel uns für diese Ausgabe schwer. „Drogen“ – seit einem Vierteljahrhundert ein für Lateinamerika brennendes und oft schmerzliches Thema, dem wir uns beständig und kompetent widmeten, hat es wieder einmal auf die Weltbühne geschafft. Nein, natürlich interessieren uns nicht die „Schmonzetten“ um „Chapo“ Guzmán, Sean Penn und Kate del Castillo. Uns geht es hier vielmehr um den Stand der Dinge und die Perspektiven der im April (19.-21.) bevorstehenden Sondergeneralversammlung der Vereinten Nationen zum Thema Drogen. Die Initiative dazu kam aus Lateinamerika – und noch nie wehten die „Winde des Wandels“ stärker.

Doch solche zeichnen sich auch mit den Wahlergebnissen in Venezuela und Argentinien ab. Man muss von einem Rechtsruck sprechen, den es zu analysieren gilt. Wird er zu einer Zeitenwende führen? Noch ist nicht ausgemacht, wie tragfähig die neue Regierung in Buenos Aires und die rechte Parlamentsmehrheit in Caracas sein werden. Brasilien und Bolivien gilt es in dieser Hinsicht im Auge zu behalten. Das Thema „Rechtsruck“ wird uns wohl noch länger beschäftigen.

Wir haben uns also für diese Ausgabe quasi zu einem Doppelschwerpunkt entschieden. Für den formalen Schwerpunkt zur Drogenpolitik konnten wir die „Crème“ der internationalen NGO-Szene als AutorInnen oder Interviewgäste gewinnen – darunter mit César Gaviria auch ein Expräsident. Im Teil „Aktuelles und Analysen“ beehrt uns ein weiterer ehemaliger Präsident zum Friedensprozess in Kolumbien mit einem Interview.

Als Einstieg für den Drogenschwerpunkt haben wir uns für eine Reportage aus Bolivien entschieden, wo Washingtons „War on Drugs“ in den 1980er und 90er Jahren ungehemmt tobte, bevor Mitte des letzten Jahrzehnts die Wende kam. Wie zur Bestätigung der Kernaussage, dass es auch alternative Ansätze schwer haben, berichtet die Zeitung La Razón heute, da ich dieses Editorial schreibe, von der Beschlagnahmung von acht Tonnen Kokain in Boliviens größter Stadt Santa Cruz, versteckt in einer Lieferung des Bergbauprodukts Bariumsulfat, die für die Elfenbeinküste – und damit letztlich für Europa – bestimmt war.

Robert Lessmann