editorial
Mit der Ankunft der zapatistischen Delegation hat sich Wien Mitte September für kurze Zeit in das Epizentrum der europäischen Lateinamerika-Solidarität verwandelt. Dem für die Vorbereitung und organisatorische Begleitung dieses historischen Besuchs gegründeten Zapalotta-Netzwerk gebühren Respekt und Anerkennung für die Bewältigung der enormen damit verbundenen logistischen Herausforderungen. Die zwischen den zapatistischen Gästen und hiesigen Basisinitiativen geknüpften Kontakte und ausgetauschten Erfahrungen waren für beide Seiten fruchtbar.
Die radikale zapatistische Kritik an Extraktivismus und Megaprojekten, wie sie auch unter der „progressiven“ mexikanischen Regierung von López Obrador vorangetrieben werden, teilen allerdings große Teile der hiesigen wie auch der lateinamerikanischen Linken nicht. So erklärten sich die im Foro de São Paulo zusammengeschlossenen lateinamerikanischen Linksparteien auch dann noch mit der Regierung von Daniel Ortega solidarisch, als sie die Protestbewegung des Jahres 2018 blutig niederschlug.
Angesichts autoritärer Deformationen ursprünglich linker Regierungen gilt es mit Klaus Meschkat festzuhalten: „Garantierte Bürgerrechte in einer demokratischen Verfassung stellen unentbehrliche Rahmenbedingungen für jede linke Politik dar“. Erst auf dieser Grundlage können auch systemkritische soziale Bewegungen wachsen und schließlich den Boden für den Erfolg linker Parteien bereiten. Wo sich diese, einmal an der Macht, jeder kritischen Auseinandersetzung verschließen, wächst die Gefahr autoritärer Entwicklungen und schließlich ihres Niedergangs.
Sich mit Bewegungen wie den Zapatistas zu solidarisieren, bedeutet auch, jenen autoritären Kräften hierzulande die Stirn zu bieten, die zum eigenen Vorteil das globale System aus Ungleichheit, Abhängigkeit und wirtschaftlichem Raubbau aufrecht erhalten. Auch vor dem Hintergrund der aktuellen Klimakonferenz in Glasgow ist internationale solidarische Vernetzung für den überfälligen Kurswechsel hin zu einem Guten Leben für alle Menschen weltweit unverzichtbar.
Hermann Klosius