editorial
Venezuela stand 1999 mit dem Wahlsieg von Hugo Chavez‘ Movimiento V. República am Beginn der Linkswende auf dem lateinamerikanischen Subkontinent. Viele SympathisantInnen fürchten, es könnte angesichts der aktuellen wirtschaftlichen und politischen Zerrüttung des Landes bald auch deren Ende markieren. Angesichts der Machtübernahme konservativ-neoliberalen Regierungen in einer Reihe lateinamerikanischer Länder gestalten sich Diskussion und Umgang mit den Kämpfen in Venezuela schwierig. Erschwert werden sie noch durch eine oberflächliche bis selektive Berichterstattung der Mainstream-Medien, und angesichts von Trumps Kriegsrhetorik erhebt sich die Frage, ob die differenzierte Auseinandersetzung mit der Realität des bolivarischen Projekts nicht auf später zu verschieben sei.
Wir haben uns dennoch für den kritischen Blick entschieden, getragen von grundsätzlicher Sympathie. Die Schwerpunkt- AutorInnen sind langjährige BegleiterInnen oder ProtagonistInnen des venezolanischen Umbruchs zur Jahrtausendwende. Leo Gabriel, jüngst zweimaliger Wahlbeobachter vor Ort, bemüht sich in seinem Überblick, die Errungenschaften des Chavismus angesichts der schwierigen Realität nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Die US-amerikanische Anwältin und Publizistin Eva Golinger, selbst venezolanischer Herkunft und profilierte Unterstützerin der bolivarischen Sache, zieht in einem ausgedehnten Interview ein ernüchterndes Fazit zur Entwicklung unter Maduro. Der australische Aktivist Ryan Mallett-Outtrim, derzeit in Mexiko wohnhaft, analysiert die (halbgaren) Reformbemühungen des ausufernden Wechselkursregimes. Der Autor dieser Zeilen befasst sich mit den (möglichen) Folgen von Wirtschaftssanktionen für das Land in einem in Veränderung begriffenen geopolitischen Umfeld. Die Ernährungsaktivistin Christina Schiavoni berichtet aus eigener Anschauung über die gegenwärtigen Mühen des venezolanischen Alltags, sieht aber auch hoffnungsvolle Ansätze.
Neben diesem Themenschwerpunkt finden Sie weiteren hoffentlich interessanten Lesestoff im aktuellen Berichtsteil.
Eine informative wie kritische Lektüre wünscht Jürgen Kreuzroither