editorial
200 Jahre ist es her, dass Mexiko und Zentralamerika sich vom spanischen Kolonialreich loslösten. Ganz abgesehen davon, dass das Unabhängigkeitsjubiläum in den meisten der Republiken angesichts jüngerer einschneidender Ereignisse gar nicht so groß begangen wird, gibt es auch wenig zu feiern. Der deutsche Politologe Peter Gärtner, dessen monumentales Zentralamerika-Buch „Zwischen zwei Kontinenten“ weiter hinten besprochen wird, spricht von einem „Fehlstart ins 21. Jahrhundert“.
In der Tat gibt es derzeit wenig Anlass zum Optimismus, was die Entwicklung der Region betrifft. Guatemala, wo eine zutiefst korrupte Politkaste den Staat gekapert hat, ist unterwegs zum failed state. In Honduras saugt eine mit der Drogenwirtschaft verflochtene Politmafia den Staat aus. In El Salvador zeichnet sich nach dem kläglichen Scheitern der Linken eine Rückkehr zum Autoritarismus ab. Und in Nicaragua betrachtet der Ortega-Clan den Staat und seine Institutionen als legitimes Eigentum, was Erinnerungen an die Diktatur der Somoza-Dynastie wachruft. Der einstige Revolutionskommandant, der vor drei Jahrzehnten unerwartet die Macht abgeben musste, hat vorgesorgt, dass sich so etwas nicht wiederholt. Einzig Costa Rica hat sich seine Sonderstellung als Pol der Stabilität in einer unruhigen Region bewahren können.
Man muss kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass Zentralamerika über kurz oder lang wieder in die Schlagzeilen kommen wird. Es geht aber schon lange nicht mehr um Revolution gegen Reaktion und Gängelung durch die USA, sondern um die Herstellung von Rechtsstaatlichkeit – eine Forderung, auf die sich die jeweilige Opposition über ideologische Grenzen hinweg verständigen kann. Und die USA unter Joe Biden sind nicht mehr Stütze der Diktatoren, sondern Verbündete der Demokraten.
Unsere Zeitschrift ist nicht ganz so alt wie die zentralamerikanischen Republiken, aber mit 45 Lenzen auch schon in die Jahre gekommen. Wir befinden uns daher in einem Erneuerungsprozess, den man zunächst an der Titelbildgestaltung und demnächst auch an einem frischeren Layout erkennen wird. Inhaltlich bemühen wir uns, die alte Qualität zu halten.
Ralf Leonhard