lateinamerika anders Nr. 2 * Juni 2020

editorial

Es gibt einen engen Zusammenhang zwischen Rassismus, sozialer Ungleichheit und der Ausbreitung der Corona-Pandemie. Wie uns die brutale und weltweit Empörung auslösende Ermordung von George Floyd gezeigt hat, werden in den USA Schwarze nicht nur häufig Opfer rassistischer Übergriffe, sie sind auch überproportional oft von Armut betroffen, wie auch vom Tod an Covid-19.

Das trifft auch für Brasilien zu, dem nach den USA zweiten globalen Hotspot der Corona-Krise, und für ganz Lateinamerika, das die WHO im Mai zum neuen Epizentrum der Pandemie erklärt hat. Die meisten der schon über eine Million Infizierten (und etwa 65.000 Toten) haben nach Brasilien Peru, Chile, Mexiko und Ecuador verzeichnet. Die Gesundheitssysteme haben vielfach ihre Belastungsgrenze erreicht und in einzelnen Fällen (Guayaquil, Manaus) auch überschritten.

Paradox erscheint dabei, dass sich das Virus auch in Ländern wie Peru, das frühzeitig strenge Maßnahmen ergriffen hat, offenbar unaufhaltsam ausbreitet. Schon vor der Pandemie vorhandene, durch sie aber verschärfte Faktoren wie Armut, Ungleichheit und Korruption sind dafür verantwortlich. In den beengten Wohnverhältnissen städtischer Slums, wo die Menschen Tag für Tag arbeiten müssen, um Essen zu haben, lassen sich soziale Distanz und Isolierung auf Dauer nicht durchhalten.

Durch die Pandemie werden Armut und soziale Konflikte absehbar zunehmen. Die Gefahr besteht, dass die Eliten versuchen werden, sich ihrer Verantwortung, finanziell zur Bewältigung der Krise beizutragen, durch Militarisierung, Repression – und Rassismus – zu entziehen. Zugleich wird aber auch der Druck der benachteiligten und ausgegrenzten Bevölkerungsschichten in Richtung größerer sozialer Gerechtigkeit und tiefgreifender Demokratisierung zunehmen. Sie werden dabei mehr denn je auf unsere Solidarität angewiesen sein. Und – wie der diesmal besonders umfangreiche Schwerpunkt des Heftes verdeutlicht – wird sich auch die Pandemie nur durch grenzübergreifende Zusammenarbeit überwinden lassen.

Gesundheit, hier und anderswo!

Hermann Klosius