lateinamerika anders Nr. 1 * Mrz. 2020
editorial
Das zentrale geopolitisch relevante Thema dieser Tage ist die Corona-Pandemie. Das Epizentrum der Krise liegt in diesem Fall aber nicht in Lateinamerika, sondern (nach China) in Europa. Es mag überraschen, wenn ein in Kuba entwickeltes Medikament als möglicher Schlüssel für die Behandlung der Covid-19-Kranken gesehen wird, oder dass Italien Kuba und Venezuela (!) um medizinische Hilfe gebeten hat.
Freilich macht das Coronavirus auch vor Lateinamerika nicht Halt. Als besonders verletzlich erweisen sich dabei Länder wie Brasilien und Chile, die – im Sinne des neoliberalen Credo – ihre Wirtschaft geöffnet und das Gesundheitswesen kaputtgespart haben. Dazu hat nicht zuletzt die von der regionalen Hegemonialmacht USA aktiv betriebene Ablöse zahlreicher Linksregierungen in den letzten Jahren beigetragen. Oft hat sie dabei die Drogenpolitik als Instrument zur Sicherung ihrer zwischenzeitlich bedrohten Dominanz eingesetzt.
Doch die mit dem Kurswechsel nach rechts verbundene Verschiebung der geopolitischen Machtverhältnisse auf dem Subkontinent stößt auf Gegenwind: Soziale Bewegungen gegen Ungleichheit und Umweltzerstörung fordern ihr Recht auf ein menschenwürdiges Leben ein. Zugleich gewinnen – wie in diesem Schwerpunkt beschrieben – konkurrierende Mächte wie China, Russland und auch die EU an Einfluss und fordern damit die Vormachtstellung der USA heraus. An Hand des geostrategisch bedeutenden Venezuela und regionaler Projekte einer autonomen Integration lässt sich aber zeigen, dass die aktuelle Krise nicht allein auf äußere Faktoren zurückgeführt werden kann.
Maßgeblich beteiligt an der Erstellung dieses Heftschwerpunkts waren AutorInnen des Leipziger Online-Magazins Quetzal, bei dem wir uns für die gute Zusammenarbeit herzlich bedanken. Sie haben diese Ausgabe erst möglich gemacht, deren Produktion durch die aktuelle Corona-Krise nicht gerade erleichtert wurde. Neben einer anregenden Lektüre wünschen wir Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, gesund durch diese herausfordernden Zeiten zu kommen.
Hermann Klosius