Nicaragua bricht mit dem Vatikan
Von Ralf Leonhard
Das autoritäre Regime von Daniel Ortega bricht mit dem Heiligen Stuhl. Damit begibt sich Nicaragua in die Gesellschaft einer Handvoll kommunistischer (Nordkorea, Vietnam, China, Laos) und acht islamischer Länder, wie Somalia, Afghanistan und Saudi Arabien, die keine diplomatischen Beziehungen zum Vatikan unterhalten.
Unmittelbarer Anlass ist eine Stellungnahme von Papst Franziskus, in der er die Verurteilung von Rolando Álvarez, Bischof von Matagalpa, zu 26 Jahren und vier Monaten wegen Landesverrats und Verbreitung von Fake News scharf verurteilt und dem Präsidentenpaar Ortega und Rosario Murillo „Gleichgewichtsstörungen“ bescheinigt und Vergleiche zum Hitler-Regime zieht. Der apostolische Nuntius Waldemar Sommertag wurde schon vor einem Jahr aus dem Land geworfen.
Die von lateinamerikanischen Katholiken längst erwartete klare Botschaft an Ortega in einem langen Interview mit einem argentinischen Medium wird in Managua als freche Einmischung in innere Angelegenheiten zurückgewiesen. Das Außenministerium stellte am Sonntag klar, dass es sich keineswegs um einen Bruch handle, wie die „mit dem putschistischen Terrorismus verstrickten“ Medien – sprich die ins Exil getriebenen Oppositionsmedien – verbreitet hätten. Vielmehr habe die Regierung nur eine „Suspendierung der Beziehungen vorgeschlagen“. Damit wird der diplomatische Eklat nicht als einseitiger Akt, sondern als beidseitige Vereinbarung dargestellt. Nicaraguas Vertreterin vor dem heiligen Stuhl Yara Suhyén Pérez Calero hat allerdings am Sonntag dem vatikanischen Staatssekretariat den Bruch mündlich mitgeteilt.
Auf der Propagandaplattform El19digital.com wird dem Pontifex seinerseits ein Gleichgewichtsproblem bescheinigt. Nach einer Aufzählung der Verbrechen der katholischen Kirche von den Kreuzzügen bis zu den Missbrauchsaffairen der jüngeren Vergangenheit hält der Autor des Artikels Bischof Álvarez vor, während des landesweiten Aufstandes gegen Ortega im Jahr 2018 zum Putsch aufgerufen und seine Kirche in Matagalpa in eine Quelle von Falschnachrichten verwandelt zu haben.
Nach einhelliger Ansicht unabhängiger Kommentatoren isoliert sich das Regime damit weiter. Ortega könnte jetzt versuchen, Bischofsernennungen selbst vorzunehmen. Kürzlich hatte er in einer Rede kritisiert, dass Kleriker und der Papst selbst nicht demokratisch gewählt würden.
Nach der Auflösung von über 4000 Nichtregierungsorganisationen ist die katholische Kirche eines der letzten Refugien, wo sich die Zivilgesellschaft artikulieren kann. Auch das immer weniger. Kreuzzüge in der Fastenzeit und Osterprozessionen sind polizeilich untersagt. Letzte Woche wurden zwei kleine katholische Privatuniversitäten liquidiert. Die Caritas zog es vor, der Zerschlagung durch einvernehmliche Selbstauflösung zuvorzukommen.